Medizinisches Cannabis – wer darf es verordnen?
Bereits seit über zwei Jahren ist es Ärzten erlaubt, Cannabisblüten oder Cannabisextrakt zu über ein Betäubungsmittelrezept zu verordnen. Praktisch kann dies sogar durch den Hausarzt erfolgen. Eine besondere Spezialisierung des behandelnden Arztes ist nicht erforderlich. Seitdem benötigen Patienten, die mit medizinischem Cannabis behandelt werden, keine Ausnahmeerlaubnis der Bundesopiumstelle mehr – erhebliche bürokratische Hürden sind damit weggefallen. Auch müssen die Patienten die Therapiekosten nicht mehr zwingend selbst tragen.
Wer zahlt die Cannabis-Therapie?
Wenn dem Patienten kein Privatrezept ausgestellt wurde (in diesem Falle sind die Kosten stets durch den Patienten selbst zu tragen), ist eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen nunmehr möglich. Nach § 31 Abs. 6 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Dies ist freilich nicht immer der Fall. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse unterliegt relativ strengen Voraussetzungen. Auch die Arzneimittel Sativex® und Canemes® fallen unter bestimmten Voraussetzungen unter das Gesetz.
Für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist es erforderlich, dass
1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
sowie 2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Bei welchen Krankheiten wird die Therapie bezahlt?
Darf der Arzt eine beliebige Menge verordnen?
Krebs? Epilepsie? Multiple Sklerose? Fibromyalgie? ADHS? Morbus Crohn? Depression?
Die denkbaren Indikationen sind vielfältig, doch es ist nicht gesetzlich festgelegt oder näher konkretisiert , welche Krankheit oder welche Symptome beim Patienten vorliegen müssen, damit die Kosten der Therapie durch die Krankenkasse übernommen werden.
Nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 6 Nr. 1 SGB V ist es jedenfalls nicht erforderlich, dass der Patient mit den üblicherweise zur Verfügung stehenden Mitteln bereits „austherapiert“ wurde. Die Menge, die Ärzte verschreiben dürfen, ist jedoch nicht beliebig, sondern unterliegt ebenfalls Regelungen: Nach § 2 Abs.1 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) sind Ärzte verpflichtet, Höchstmengen bei der Verschreibung einzuhalten.
So dürfen einem Patienten innerhalb von 30 Tagen entweder 100g getrocknete Cannabisblüten oder bis zu 1.000 mg Extrakt (wobei auf den Gehalt von Delta-9-Tetrahydrocannabinol abzustellen ist) verschrieben werden. Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen von der Regel. Diese Ausnahmen kommen dann zur Anwendung, wenn u.a. die Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs eingehalten wird. Bei der Überschreitung der gesetzlich zulässigen Verordnungsmenge muss der verschreibende Arzt ein „A“ für Ausnahme auf dem Betäubungsmittelrezept eintragen. Der verordnende Arzt muss auf dem Betäubungsmittelrezept sowohl die Menge als auch die Sorte eintragen (momentan werden noch sämtliche Sorten aus dem Ausland importiert – insgesamt kann der Arzt zwischen 13 verschiedenen Sorten wählen, die sich allesamt in ihrem Wirkstoffgehalt unterscheiden). Da es sich bei Cannabis um einen pflanzlichen Stoff handelt, der naturgemäß nicht auf die selbe Art und Weise wie ein chemisch hergestelltes Arzneimittel kontrollierbar ist, gelten strenge Auflagen für den Anbau. Pharmazeutischen Qualitätsanforderungen ist hier zu genügen – der Anbau ist streng kontrolliert.
Zukünftig soll auch in Deutschland ein staatlich überwachter Cannabisanbau eingeführt werden. Das Verfahren wird durch die Cannabisagentur als Untergliederung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingeleitet. Bis es so weit ist, wird weiterhin auf ausländisches Medizinal-Cannabis zurückgegriffen werden müssen.
Wieso möchte mein Arzt meine Daten weitergeben?
Weitere Voraussetzung für die Kostenerstattung durch die Krankenkasse ist, dass der Patient seine Einwilligung zur Weitergabe seiner Behandlungsdaten durch den Arzt an die Bundeopiumstelle des BfArM erteilt hat. Die Übermittlung dieser Daten erfolgt weitestgehend anonym (Alter und Geschlecht des Patienten werden übermittelt – ebenso die Diagnose bzw. der Verordnungsgrund). Die Datenweitergabe verfolgt wissenschaftliche Zwecke und dient der Erforschung der Wirkung von medizinischem Cannabis. Diese Datenerhebung wird noch ca. weitere zweieinhalb Jahre stattfinden. Nach Ablauf dieses festgelegten Evaluierungszeitraums wird nach Auswertung der Ergebnisse abschließend darüber entschieden werden, ob medizinisches Cannabis auch zukünftig Leistung der Krankenkassen sein kann
Welche Hürden stellen sich bei der Genehmigung durch die Krankenkasse?
Bevor die Cannabisbehandlung begonnen wird, muss die Krankenkasse des Patienten die Übernahme der Kosten bewilligen. Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Kostenübernahme vorliegen, trifft die Krankenkasse nicht allein. Vielmehr wird hier meist der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) zu Rate gezogen.
Wie lange dauert die Entscheidung über eine Bewilligung der Kostenübernahme?
Ein Sonderfall besteht zunächst in Fällen des § 37 b SGB V – bei der sog. spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) ist die Genehmigungsfrist sehr kurz: sie beträgt dann nur 3 Tage.
In allen anderen Fällen muss die Krankenkasse innerhalb von 3 Wochen ihre Entscheidung fällen. Wenn der medizinische Dienst involviert ist, hat die Krankenkasse 5 Wochen Zeit. Eine Ablehnung des Antrags ist der Krankenkasse nur dann möglich, wenn ein sog. begründeter Ausnahmefall vorliegt. Dies ist ein maßgeblicher Dreh- und Angelpunkt, bei dem es hinsichtlich der Kostenübernahme oft zu Streitigkeiten zwischen Patient und Krankenkasse kommt, die ohne rechtlichen Beistand kaum zu lösen sind.
In jedem 3. Fall, also in nahezu 40 % der Fälle, in denen Patienten eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse beantragen, kommt es zur Ablehnung. Dies mag zum einen an den erheblichen Kosten liegen, die eine Cannabistherapie verursacht. Durchschnittlich kostet ein Gramm medizinischer Cannabisblüten zwischen 20,00 und 23,00 €. Je nachdem, welche Indikation vorliegt, kommen auf die Kassen teils erhebliche Kosten zu: Während ein Patient mit leichteren Beschwerden nur eine geringe tägliche Menge benötigt, die monatliche Kosten in Höhe von etwa 350,00 € verursacht, kann ein Patient im palliativen Setting durchaus einen monatlichen Bedarf haben, der Kosten in Höhe von 2.000,00 – 2.500 € im Monat verursacht. Alternative Therapien gehen für die Krankenkassen natürlich mit deutlichen Ersparnissen einher. Eine gängige Schmerztherapie mit Opioiden kostet einen Bruchteil der Cannabis-Therapie. Was dabei leider oft vergessen wird: Eine Opiattherapie geht mit drastischen Nebenwirkungen einher – die psychosozialen Folgen für die Patienten sind verheerend. Je nach Dosierung der Opiate kann es eigentlich arbeitsfähigen Schmerzpatienten unmöglich werden, ihren Job auszuüben. Die teils schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Übelkeit, Appetitverlust, Potenzstörungen und überbordende Müdigkeit führen zu sozialem Rückzug, Isolation und Depression. Mit einer Cannabistherapie wären diese Patienten jedoch in der Lage, ihren Alltag schmerzfrei und weitestgehend ohne Nebenwirkungen zu bestreiten.
Wenn die verordnete Cannabis-Therapie für den Patienten notwendig, bei vorliegender Indikation als zweckmäßig und wirtschaftlich einzustufen ist, übernimmt die Kasse die Kosten in den meisten Fällen.
Die Krankenkasse hat die Kostenübernahme abgelehnt – welche Möglichkeiten habe ich ?
In diesem Fall gilt: Nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, sondern fachkundige anwaltliche Unterstützung hinzuziehen. Eine Anwältin oder ein Anwalt kann Ihnen helfen, eine Kostenübernahme durch die Kasse herbeizuführen.
Wenn die Krankenkasse den Antrag auf Kostenübernahme ablehnt, kann Widerspruch gegen diese Entscheidung erhoben werden. Hier ist unbedingt die Widerspruchsfrist von in der Regel einem Monat zu wahren. Dabei ist abzustellen auf den Tag, an dem der Patient den ablehnenden Bescheid der Krankenkasse erhalten hat.
Wenn die Krankenkasse den Widerspruch ablehnt, prüft die Widerspruchsstelle der Krankenkasse Widerspruch und Ablehnung erneut. Wenn auch dann dem Widerspruch nicht entsprochen wird und Kostenübernahme weiterhin abgelehnt wird, wird dem Patienten dies schriftlich in Form eines Widerspruchsbescheides mitgeteilt.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren ist eine Klage vor dem zuständigen Sozialgericht möglich. Auch hier ist eine Frist zu wahren – innerhalb in der Regel eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids muss die Klage erhoben werden.
Lassen Sie einen Anwalt oder eine Anwältin prüfen, ob Ihre Klage Aussicht auf Erfolg haben kann. Ihre fachkundige und auf dem Gebiet des Medizin- und Sozialrechts versierte Anwältin oder Ihr Anwalt können Sie dabei unterstützen, doch noch zu Ihrem Recht zu kommen.
Dieser Blogbeitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt lediglich einen kleinen Ausschnitt der Thematik wider. Der Beitrag ersetzt kein anwaltliches Beratungsgespräch. Wenn Sie Fragen zum Thema Kostenübernahme durch die Krankenkasse haben, gegen Ihre Krankenkasse den Rechtsweg beschreiten möchten oder Hilfe beim Widerspruchsverfahren benötigen, vereinbaren Sie am besten zeitnah einen Termin mit Ihrer Anwältin oder Ihrem Anwalt. Bitte achten Sie auf einzuhaltende Fristen!